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01 Kriegstagebuch m. Vaters

Genealogische Texte etc

Letzte Kriegstage, Flucht von Ostpreussen über die Danziger Bucht und Gefangennahmen durch englische Truppen in Holstein.


Hier ein Text, der erst kürzlich wiederentdeckt wurde. Es ist ein kurzes Tagebuch meines Vaters, Kurt B.W. Schönknecht, das er wohl nach seiner Gefangennahme durch englische Truppen im Mai 1945 mit Kopierstift in ein Schulheft geschrieben hat.

Vorbemerkung Mein Vater, am 2.10.1900 geboren, wurde 1939 zur Reichswehr eingezogen und kam  im Juni 1944 zur 5. Sanitäts-Ersatz- und Ausbildungseinheit, wo er bis zum 4.3.1945 (lt Soldbuch) war. Als Sanitäts-Unteroffizier muss er dann an die Front in Ostpreussen versetzt worden sein. Hier setzt am 25.3.1945
sein kurzes Tagebuch ein. Meine eigenen Ergänzungen folgen im Anschluß, Anmerkungen während des Textes habe ich kursiv geschrieben.

7.5.1945

Heute heißt es in der Losung: "Wer bin ich, Herr, Herr und was ist mein Haus, das Du mich bis hier her gebracht?" Heute scheint die Sonne, ich sitze auf einem alten Pflug in der Dorfstr. von Gadebusch als Angehöriger des 18. Bataillons 1.Komp, 1 Zug 6. Gr des Gefangenen Lagers, bewacht zunächst von Engländern und dann von Amis, wie sie hier heißen. Die Änderung brachte eine Besserung - doch zurück:

Wir trafen am Palmsonntag (25.März 1945
) in Georgenswalde (Ortsteil von Rauschen, nördl. von Königsberg an der Samlandküste) ein. Nach den stürmischen Tagen vorher zunächst einige beinahe ruhige Tage. Es kam keine Klarheit, ob der Russe unser Angebot, Georgenswalde als Lazarettstadt  (Ort, der von Kampfhandlungen verschont werden sollte) anzuerkennen, angenommen hat. Wir wurden wiederholt mit Bomben und Bordwaffen angegriffen, einmal fast in unser Gartenhäuschen. Ich hatte Zeit, mich mit der Bibel zu beschäftigen und hatte viel Freude an einer Übersetzung von Schlachter und Menge.

Am 14.4.
erhielten wir plötzlich den Befehl, in Gruppen von G. abzurücken in Richtung Pillau. Gegen Mittag ging's los, nachdem wir infolge heftigen Flakbeschusses nicht wegkommen konnten. Unterwegs gab's ständig Fl. Beschuß. Wir wurden bald auseinander gerissen. Ich fuhr auf einem Fuhrwerk des Volkssturms die einen Verwundeten fuhren (Bauchschuß) und gelangte bis ?. Dort schlief ich in einer Scheune und lief früh 5 Uhr weiter. Der Russe war erheblich näher gekommen, ich kam nur bis zum Strand von  ? (?) dort lag ich in einem Hof und beobachtete die pausenlosen  russ. Fl. Angriffe auf die Straße. Die Fl. brausten unmittelbar über mich hin, teils grellrot, mit dem einsetzenden Bordfeuer ein übler Eindruck. Nach Sonnenuntergang ging ich los aber ich mußte widerholt der Fl. wegen anhalten. Ich verbrachte dann einen Teil der Nacht in einem Loch, es war sternenklar kalt. Die dtsch. Schiffsari (Artillerie) krachte ihre Salven, der Russe war unentwegt mit Leuchtbomben und Ari tätig. Eine böse Überraschung war am Morgen die Entdeckung, daß mein Rucksack weg mit meinem gesamten Hab und Gut. Am meisten schmerzten mich der Verlust der Bibel. Daneben Lebensmittel, Waschzeug (?) , Wäsche. Aber, der Herr hat's genommen, der Herr hatte es gegeben, der Namen des Herrn sei gelobt. Nun war ich meine Last los und dachte, nun muß mich der himml. Vater besonders versorgen und die Zukunft zeigte es dann auch.

In Lochstädt traf ich überraschend meine Gr. ? an. Man gab mir gleich einen Klumpen Butter! Wir liefen unter Beschuß nach Pillau weiter. Dort wurde ich ganz plötzlich, ohne langes Reden meiner K. (Krankheit?) wegen, einer Kr. T. Stelle (?) überwiesen, die mich noch am gl. Abend 16.4.
zur Schiffsreise einteilte. Am Abend, gegen 19:00 ging's zum Hafen. Der war übel zerschossen. Die russische Ari funkte auch übel beim Verladen dazwischen. Es gab beinahe eine Katastrophe, die Menschen werden unter solchen Umständen wie die Tiere. Ich konnte es nicht mehr ansehen und ging in den Keller eines geschlossenen Hauses, wo man mich (ohne Drängen) abholte. Es ging zunächst auf ? nach Hela. Tagsüber war einer abgesoffen. Wir hatten ruhige See und gelangten gut in ca. 7 Std. nach Hela. Hatten nur 2 Tote vom Aribeschuß´im Pillauer Hafen an Bord. Den 17.4. verbrachten wir mit Warten im Helaer Hafen und fuhren 19 Uhr mit dem stark beladenen "Ginter" (?). Ich lag ganz unten im Boden des Schiffes auf Roggensäcken und schlief leidlich wenn auch unruhig wegen der russ. U-Boote u. Flieger. Wir waren 5 Schiffe u. 2 Begleiter zum Schutz. Am 18.4. langten wir 16:00 im Kap Arcona an und wurden am 19.4. früh in Swinemünde ausgeladen. Ich wurde ins Seemannsheim nach Ahlbeck verlegt. Und erlebte dort inmitten des vorwachsenden Frühlings stille, völlig kriegsferne Tage. Ich schrieb an Esther.

Am 26.4.
grif der Feind stark in der Nacht mit Fliegern an, die hier starke Land- und Schifsflak schoß mächtig und so gab es eine laute Nacht in der aber, bis auf den fallenden Kalk nichts geschah. Am 27.4. wurden wir Leichtkranken in Marsch gesetzt. Es ging die ganze Ostseeküste entlang bis Wolgast, weiter über Stralsund, Rostock bis ?. Dort erhielten wir gute Verpflegug und zogen am anderen Tag weiter. Auf einer kleinen Station gab uns (wir waren 2 Mann) die Frau des Morgens Kaffee. So gings den ganzen Tag. Die Losung hieß: ? ...der Herr ist bei dem der auf ihn trauet. Wir wechselten auf einen Eisenbahnari-Zug mit netten Kameraden. Als wir den verlassen mußten, stiegen wir auf einen Lazarett-Zug nachdem wir noch einen ganz plötzlichen Fl. (Flieger?) Angriff im Zug überstanden. Aber auch den Laz. Zug mußten wir verlassen, weil er nicht weiter fuhr. Wir liefen ein Stück, stiegen dann aber wieder auf einen Flüchtlingszug der uns mit vielem Anhalten bis Wismar brachte. In Wismar war der Engländer vom Westen und der Russen vom Osten nahe heran gerückt. Also raus aus dem Zug und wieder zu Fuß los, weg von W. , dem Engländer entgegen. Der sollte angeblich schon auf dem Marktplatz sein mit 4 Panzern.

Unterwegs am 2.5.
nachm. hatte ich die erste Begegnung mit dem Tommy. Ein kleiner PKW mit weißem Stern überholte uns, 4 Engl. mit MP ? Pistolen sprangen heraus. Einer kam auf mich zu und bedeutete mir, daß er mein Fernglas haben wollte. Ich gab's ihm. Die 4 erinnerten an die kanadischen Eishockeyspiele vom Berl. Sportpalast. Einer hatte ganz helle blaue Augen. Es lief alles ganz friedlich ab. Wir liefen weiter nach Grevesmühlen ein Auto nahm uns den Hauptteil mit.. Ich sprach einen Müller mit Frau und wir erhielten ein herrliches Quartier mit ausgiebiger ? u. Bratkartoffeln zu Speck, Milch. Plauderstündchen mit ?. Am Morgen ging's weiter (3.5.1945) nach Gadebusch, dort war ein großes Auffanglager. Rechts u. li. der Straße das übliche Rückzugsbild. Autos über Autos, Waffen, Geräte. ? Es erinnerte mich an die Rückzüge von damals in Frankreich bei ? im Walde. Wir trafen gegen Abend in G. ein. Der Engl. hatte wohl mit einem solchen Massenansturm nicht gerechnet. So mußten wir durch eine Sperre an der man uns auf Waffen durchsuchte und die Messer wegnahm, in ein offenes Wiesengelände. Wir holten uns Stroh und alles machte sich daran, große Hütten einzurichten. Tolle Bilder konnte man sehen. Sogar auf Dächern liegen einige. Da es in der ersten Nacht nicht regnete, ging's einigermassen. Der nächste Tag verging mit allen möglichen Parolen "Entlassen oder nicht?" usw. Wir Kranken fanden ein Strohlager i.d. Scheune und waren vor dem Wetter in Sicherheit. Allmählich kam Ordnung in die Geschichte. Wir wurden in Bataillone eingeteilt, ich gehörte  zum 18., 1. Komp. Wir sollen etwa 15.000 Mann gewesen sein, einige meinen sogar 20.000.

Einige Bilder: 1 Std. anstehen nach 1 Fl. Wasser. Unaufhörlich geht die alte Pumpe und hat bisher nicht versagt. Latrinenverhältnisse sehr primitiv. Verpflegung zunächst nicht. Den 2. Tag 12 oder 15 Mann 1 Brot und etwas Suppe. Am 3. Tag Kekse. Ich lebe zusätzlich von einem Stück Speck das ich in Wismar auf einem liegen geblieben Wagen fand. Die Behandlung korrekt. Ein Bild: Ein Pkw mit liebenswürdigem Tommy hielt und nahm Verwund. mit. Das Gegenstück: Ein verärgerter Tommy gab Befehl. die Strasse zu verlassen. Er gab einem wohl bewußt langsamen Landser erst Kniffe, dann Tritte in den Hintern. Allerdings provoziert durch das dumme Verhalten des Landsers. Auf der Strasse fuhren auf den U.T.A. (?) Wagen die heimkehrenden Franzosen vorbei. Wenn sie uns sehen lachen und pfeifen sie, einige mit üblen Gesten. Verständlich nach so langen Jahren Gefangenschaft. Hier werden sie schon nach 3 Tagen ungeduldig!!  Auffallend im Gegensatz zu uns vielen Alten die wirklich jungen Engl. und Amerikaner. Ferner fallen die vielen sehr schnellen Kübelwagen auf die mit 3 -4 Mann schnell vorbeifahren. --- Kochen! Gekocht wird unter den seltsamsten Umständen. Ziegelsteine, Eisen  usw. usw. sind die Kochstellen. Kartoffeln in aller Form, Roggen und Weizen sind das Kochgut. Unser Batl. Chef ein rüstiger, besonnener Major Schlüter, hielt heute (7.5.
) die 1. Ansprache, die auf dunklen Grund lagen, an Waffenstillstand, Entlassung nicht zu denken. Unsere Generäle verhandeln mit den Amerikanern über unser Schicksal. ? wird kommen. Mit Ernährung auf uns angewiesen. Demark. Linie wohl Wismar, Schwerin, Wittenberg. Aber alles noch unbestimmt. Post? Rauchwaren? fragten die Landser, die vergassen, daß sie in Gefangenschaft sind. - Also trübe Lage, dem steht die heutige Losung gegenüber: "Gott  kann machen, daß ihr in allen Dingen volles Genüge habt." Also auf Ihn vertrauen. Heute erhielten wir 15 Mann = 1 Brot, 3 1/2 Kekse, 1 Kelle Kartoffelsuppe.

8.5.45
Gestern Abend ging ich noch bis 1/2 11 Uhr etwas auf und ab. Es war ein schöner Abend, die Sterne kamen langsam hervor. Ich hatte zuvor die Abendlosung gelesen. Mark 11, 22-26, vom Berge versetzenden Glauben u. dem: Alles was ihr bitten werdet in eurem Gebet, glaubt nur, so wird's euch werden. Eine so starke Verheißung, fast wie eine laute Aufforderung mit Fanfaren kommt mir diese Stelle vor. Ich dachte viel darüber nach und bat dann den Herrn im "Herr, ich glaube, hilf meinem Ungl." um Folgendes: 1.) Ich bat um die Gabe, mein Interesse für das Reich Gottes, das Wort Gottes, seine Befehle für mich doch meinem eig. Int. voranzustellen. 2.) Mich bald wieder gesund mit meinen Lieben zus. zu führen. 3.) Unserm Volke doch Männer an die Spitze zu sellen, die es mit Gott beginnen möchten. Zuvor traf ich einen jungen Hamburger, der mir sagte, daß er im Kriege Gott kennengelernt habe. Dabei saß ein Volksdeutscher  aus der Ukraine der um mein Testament bat u. mit Tränen darin las. Ich schlief zunächst gut, wachte dann aber mit heftigem  (anscheinend Nieren-) Schmerzen auf. Ich gedachte des Wortes "Des nachts peinigten (?)  mich meine Nieren" Die Sonne schien des Morgens hell i.d. Scheune, ich stand gegen 1/2 8 auf, es gab gleich warmen Kaffee. Gründl. Stiefelputzen.

9.5.45
Die Nacht war nicht schön.Ich erwachte vom Ungeziefer(es sind Läuse i.d. Scheune. Es war so unangenehm, das ich lange nicht einschlief, trübe Gedanken, Kleinmut, Zweifel kamen, eine rechte Hiobsstimmung, bitter gegen Gott.So schnell wandelt sich das menschliche Herz. - Ich stand früh auf, besorgte mir Wasser, erwärmte es, sah einige schon in der Früh Kart. kochende Kameraden und wusch mich gründlich, ein Genuß. Die Verpfl. hat sich heute sehr gessert, es gab ca. 9 Stachelbeen, 5 Mann (fünf) 1 Brot, 11:30 Erbsensuppe, sie allerdings noch recht knapp. Am Tage wurde viel orgaisiert, da dem amerik. Kom. unsere primitiven Laubhütten nicht gefallen. Es werden Zelte gebaut. Es ist warm geworden, des nachmittags herrl. Sonnenschein u. des Abends windig und bezogen. Die Losung bringt Gottes Ruf an Samuel u. seine Antwort: Hier bin ich." Der zweite Text vom Weinstock und den beiden Reben. Ich fand einen stillen Fleck und bat Gott, mich auch zu rufen und ein, mir ein "Hier bich zu schenken u. 3.) mich auch zur guten, Frucht bringenden Rebe die er gebrauchen kann zu machen. Mehr und mehr bekomme ich die Gewissheit, Gott zu bitten, mich bald zu meinen Lieben zurückzubringen. Jesus ist i. de. Evangelien so freundlich und so menschlich, besonders gegenüber Kindern und Müttern bzw. Frauen, dass ich ihn um Glauben für meine Bitte bitten möchte. Dann wird mir besonders nach dem Lesen im Feldgesangbuch klar, daß unser Volk in seiner so düster vor ihm liegenden Zukunft überhaupt nur überleben kann wenn das Evangelium gepredigt wird und Gott der Allmächtige um seinen Rat, Segen und Beistand gebeten wird und sich vieler Dinge erbarmt. Dazu habe ich eine ganz gewisse Zuversicht u. bitte Gott, daß ich in Gnaden dabei mithelfen darf.

10.5.45
Heute ist Himmelfahrt. "Ich will meinen Geist in Euch geben und will solche Leute aus euch machen, die meine Gebote halten, alte und neue Rechte achten." U. danach heißt es in der heutigen Losung: "Wie nützlich kann doch ein Menschenleben werden dem diese Verheißung wiederfährt." Gott schenke es mir aus Gnaden. Wieder nachm. herrl. Wetter ich ließ mein noch etwas eiterndes Karbunkel neu verbinden. Hörte von einem San. Kam. daß Sanitäter entlassen werden sollen. Ging noch von gründl.  Überlegung zu meinem Major und wurde zum Lagerältesten geschickt. Hier passierte mir das Malör, daß ich stramm den abgeschafften Hitlergruß erließ (?). Ich gab mein Gesuch ab und soll in 3 TagenBescheid erhalten. Wir werden immer den Sieg Gottes daran erkennen, dass es unglaublich schlicht zugeht. Das wäre ein schlichter Weg zur Erfüllung meiner Bitte. "Glaubet nur, dass ihr empfangen werdet so wird es werden." Wenn es nuntatsächlich ganz einfach wird?  Sollte er schenken, dann möge Licht sein zum Erkennen seines Auftrags. O, welch neues Leben steht da in Aussicht. Besonders möge mich Gott in diesem Jahr segnen - am 17.5. begehen unseres 15 Hochzeitstag.

11.5.45
Nu hat der Herr meine Bitte gegeben, die ich von ihm bat. Ich war ganz verblüfft als ich die heutige Losung las! Zunächst wollte ich daraus entnehmen, daß heute etwas geschehen müsste, es geschah aber nichts. Man möchte dochin allen Dingen möglichst klar Gottes Willen erkennen. Aber das ist nicht einfach und hier muß man lernen. Geduld aber ist es wohl vor wiegend, die mir besonders fehlt. Ich las im N.T. am Brunnen mit dem Blick über die Wiesen. Nun blüht der Flieder, ich möchte ihn so gern in der Freiheit noch blühen sehen. Die wenige Tage Gefangenschaft lassen erkennen, sie schwer es sein mag, sie länger zu ertragen. Vormittags Sachen und mich selbst entlaust. Haferflockensuppe, 1/5 Brot, 1 Stück Jägerwurst.

12.5.45
Heute vom Schachspielanfertigung etwas abgelenkt, sie auch vom Schachspielen selber. Wir (alle Sanis)mußten uns um 14 Uhr melden, es ist also etwas im Gange. Mein Gesuch lief unterm 18. Btln., jetzt sind wir ein Kranken Btln., was mir Anlaß zur Sorge und neuem Zweifel gibt. ( Ich schreibe diese ganze Angelegenheit so ausführlich um später Fehler zu erkennen um sie zu vermeiden.) Jetzt gehe ich zum N.N. - es ist wieder herrl. Wetter ich habe nach der Entlausung gut geschlafen. Die neuen Latrinen sind praktisch aber sie berühren mich unwürdig, mag aber falsch von mir gedacht sein. - Ich habe soeben meine Morgenandacht nachgeholt, es war recht erquickend. Es ist soviel Segen in diesen Tagen spürbar, dass es wohl auch auf Esthers und meiner Lieben Fürbitte zurückzuführen ist. Ich hatte viel Freude an Prof. Heiners Worte über die 2 Fragen die die Menschheit seit je her bewegen: 1.) Wie bekomme ich einen gnäd. Gott; 2.) Wie komme ich zu Macht, Ruhm, Glück, Wohlleben? ----Die Losung mahnt wieder: " Bitte ohne Unterlaß... ER wird sie erfüllen in Kürze.

20.5.45
Pfingstsonntag. Neun Tage keine Eintragung. Äußerlich, unsere Lebensmittel Ration ist etwas reichlicher geworden, wir erhalten zu 4 ein Brot, tägl. eine Käse bzw. Wurst Ration u. mittags 1 Rind Büchse, 1/2 bzw. 3/4 voll. Aber innerlich: Ich war durch die Nähe zu Pfingsten und unseres Hochzeitstages so auf eine baldige Entlassung eingestellt, daß ich bitter die Nachr. entgegennahm, daß an eine Entlassung vorläufig nicht zu denken war. Ich ließ mich gehen, verlor die Gottesnähe aber Gott lief dem trotzigen Kind wieder nach und beschämte mich durch seine Gnade. Nun bete ich weiter täglich um baldiges einander Wiedersehen aber ich bin still über den Zeitpunkt gewordenBibelstellen stärken mich. Heute, Pfingsten, ein von 1000den besuchter Gottesdienst von Dekan Hunzinger.

22.5.45
Nun war ich das zweitemal zur Bibelstunde, die täglich im Lager von 8 - 9 Uhr stattfindet., es sind an 20 Mann aller Chargen i.d. Hauptsache Pastoren, alle beiden Stdn. verliefen sehr fein. Heute ist ein Regentag, es hat fast die ganze Nacht geregnen, ich war draußenu. es war schön, nicht kalt, der Regen rann leise vom Himmel herunter in der stillen Nacht, ich wurde erinnert an einen stillen Pastorengarten, in dem d. alt. Past. aus großer Gießkanne sorgsam seine Pflanzen begoß. Gestern sah das jetzt recht häufige Bild; den Landser in der geräumten Scheune nach Getreidekörnern suchend der sie dann zerstampfen und sich eine Suppe bereitet, besonders die jungen, die Hunger haben.

21.6.45
Ein ganzer Monat ist jetzt vergangen. Am 2.6.wurden wir von Gadebusch mit der Bahn über Schwerin (?) nach Eutin gebracht. Wir marschierten etwas planlos bei heißer Sonne mit unserem Gepäck durch die schöne Holstein Landschaft und kamen am Sonntag d. 3.6. nach dem Waldlager Mühlenkamp bei dem Dorf und Gut Staudorf (?) ("Immensee), dort schlug ich mit meiner Zeltplane ein Einzelzelt auf dem Waldboden auf in dem ich nun bisheute schlief. Wir hatten bis vorgestern ca. 16 Tage sehr kalte, regnerische Tag daß ich wiederholt des frühen Morgens vor Kälte aufstand.Verpfl. bestand zunächst aus enggl. Keksen 9 - 14 Stk, an die man sich sehr schnell gewöhnte- Mittags eine dünne Suppe, die Kekse teilte ich in 2 Rationen für morgens und abends ein, dazu gabs Butterschmalz in kleinen Portionen und Margarine, zu anfangs Wurst, Käse . Jetzt seit Tagen 1/2 Hering. Neuerdings gibts wieder Brot, mal 4-5, mal 8 - 10 Mann 1 Brot. Also Hering lernte ich ohne jede Schwierigkeiten, nach 44 Jahren, essen. Gebe Gott daß das meine liebe Mutter noch erfährt. Mittags machte ich mir wiederholt Brennesseln zu Spinat (Hiob 30,4) Aber auch  Ps (?) 17,15 erlebte ich. Wie überhaupt die ganze Zeit unter viel Bibellsesen und Arbeit dabei sehr schnell verging. Die Tage brachten ständig Parolen aller Art. Aber während im engl. bes. Gebiet laufend entlassen wird, sind im amerikan. und russ. Gebiet Entl. bis heute nicht erfolgt. Also heißt es weiter abwarten.Ps. 146, 4,7 "Der Herr löst die Gefangenen bleibt meine Losung "Gott aber zählt die Stunden, dass Du auch um Sekunden zu spät nicht kommst nach Haus. Bis dahin  aber freue Dich seiner Vatertreue u. halt die Stunden aus." Ich habe eine kleine Taschenbibel, arg von einem Arbeiter -Bibelforscher- beschriebenerhalten und bin des tägl. neuen Staunens über den Reichtum des Wortes Gottes voll. Am Sonnt. dem 17.6..45 war ich z. Abendmahlsgottesdienst im Standorfer (?) Park. Holstein fand ich in der hiesigen Umgebung an den wenigen schönen Tagen sehr schön. Wälder, Felder, Hügel, Dörfer in lieblicher Abendstimmung. Aber das alles mit den Augen des Gefangenen gesehen ist wie eine trübe Brille gesehen, weil über allem groß das Heimweh und die Sorgen um die Lieben daheim stehen.Die letzte Parole lautet wieder einmal bis zum 30.6. soll das Lager geräumt sein, das wären also noch 9 Tage, Gott segne mir weiterhin das Warten.

Ende der Aufzeichnungen in einem alten Rechenheft, mit Bleistift (Kopierstift ?) geschrieben


 


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